Geschichte des Hemdes

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Das Hemd hat lange Zeit eine Nebenrolle in der Modeszene gespielt. Dabei ist im Grunde das Hemd die Urform unserer Kleidung. Dieses Kleidungsstück steht uns so nahe, daß es in viele Sprichwörter und Redewendungen Eingang gefunden hat. Beispiele sind:
" Das Hemd ist mir näher als der Rock", was bedeutet, daß einem Familienangehörige oder eigene Interessen näher stehen, als Fremde.

"... bis auf's letzte Hemd" besagt, daß man fast alles verloren hat, mit Ausnahme des allerwichtigsten Kleidungsstückes.
Die Funktion des Hemdes war ursprünglich die eines Unterhemdes unter der gröberen Wollkleidung, oder einer Schutzschicht unter dem Harnisch. Erst im Mittelalter fing man an Bündchen an den Hals und Armausschnitten anzusetzen, so daß allmählich ein Kragen entstand, der zugebunden werden konnte. Bis dahin schlüpfte man immer in das Hemd hinein. Als eigenständige Oberbekleidung trat das Hemd erst Ende des 19. Jh. auf. In dieser Zeit kamen wichtige Verbesserungen hinzu; z.B. eine Passe am oberen Rückenteil oder ein durchknöpfbares Vor- oder Rückenerteil, das den "Einstieg" ins Hemd erheblich erleichterte."
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Berühmt wurde der Zug Heinrich IV von Speyer nach Canossa, im Jahr 1077, um von Papst Gregor VII die Lösung des Kirchenbannes zu erlangen. Hier bittet Heinrich IV Mathilde von Tuszien und Abt Hugo von Cluny um Vermittlung mit dem Papst. Um den kirchlichen Bann aufzuheben mußte Heinrich im Büßerhemd mehrere Tage vor der Burg ausharren.
Nach 1840 wurde die Stärke als Formgeber immer wichtiger und steife Krägen bzw. Manschetten waren in den feinen Kreisen unverzichtbar. Der weniger begüterte Mann konnte sich mit einem mehrteiligen Hemd aus einfachem Stoff helfen, an das ein Vorderhemd, Stehkragen und Manschetten angeknöpft wurden. Die Kragenhöhe reichte in manchen Perioden bis an die Ohren. Ãœblich war im ausgehenden 18. Jh. ein Tuch um den Stehkragen zu binden. Später kam man dann auf die Idee die Kragenecken wie Schmetterlingsflügel nach unten zu biegen, wobei das ursprünglich breite Halstuch zu einem symbolischen Tuch, der Fliege, reduziert wurde. Diese Kragenecken waren oft so scharf, daß beim Kopfdrehen Hautrisse entstehen konnten, was diesen Modellen den Namen "Vatermörder" einbrachte. Heute werden diese harten Klappkrägen als Frackkragen bezeichnet und nur noch bei sehr feierlichen Anlässen getragen.
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Schließlich schlug man den Kragen in seiner ganzen Breite um, so daß ein doppelter Kragen entstand. Ursprünglich waren diese Modelle nur als Freizeitmodelle akzeptabel. Die Krägen wurden von spitzen flachen Stäbchen in Form gehalten, bis diese wiederum in der Mitte des 20. Jh. verschwanden und dem neuen "Freizeithemd" der Weg gebahnt wurde. Diese Freizeithemden waren auffallender gemustert, weit geschnitten und hatten weiche, in der Form sehr unterschiedliche Krägen und Manschetten. Der Klassiker blieb aber nach wie vor das weiße Hemd.
Die Brusttasche ist eine relativ neumodische Erfindung, die auf einem klassischen Hemd nicht vorkommen darf. Brusttaschen betraten die Bühne erst, als die Herrenweste als fester Bestandteil des Anzugs verschwand. Auf ähnliche Weise wurde auch der Button-down-Kragen salonfähig, der im elitären Polospiel seinen Ursprung hatte. Die Kragenecken jeweils mit einem kleinen Knopf zu befestigen entsprang der Notwendigkeit beim schnellen Reiten das Flattern der Kragenspitzen im Wind zu vermeiden. Diese sportliche Kragenform fand in der Folge v.a. in Amerika viele Anhänger wo die Schenkellängen dieser Krägen extrem variiert wurden. Auch feinere Hemden werden mittlerweile mit diesem Kragentypus ausgestattet, weil man darunter eine Krawatte sehr straff tragen kann. In Europa dauerte es wesentlich länger, bis der Button-down gesellschaftsfähig wurde und er wird auch heute noch oft als Neoklassiker bezeichnet. Bei Freizeithemden ist er dagegen weit vertreten.
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 Kragenformen im Wandel der Zeit